Hallo liebe Besucher,
Valeska klappte ihr Schulheft zu, drehte sich mit ihrem Schreibtischstuhl um, sah Chewie an und sagte: ”So geschafft, nun kommt unsere Zeit.” Chewie wedelte sofort begeistert mit dem Schwanz und sprang aus seinem Körbchen. Gemeinsam gingen sie in den Flur. Valeska legte Chewie - eigentlich Chewbacca, weil er einfach so wuschelig und freundlich aussah wie Chewbacca - den Bauchgurt an und griff nach der Leine, dann stürmten sie gemeinsam hinaus in den herrlichen Schnee. Sie wohnten erst seit 5 Monaten im neuen Haus und Valeska war jedes Mal aufs Neue begeistert, dass gleich hinterm Haus schon Wiesen und Felder kamen. Deshalb hatte sie nun endlich auch einen Hund. Früher in der kleinen Stadtwohnung im siebten Stock wäre das ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Erst mit dem Kauf und Umzug ins eigene Haus hatte sich ihr Traum vom Hund erfüllt. Sie hatte ja bereits zu Weihnachten gehofft, dass ihre Eltern ihr da einen Hund schenkten. Aber ihre Eltern hatten gesagt:v”Tiere sind keine Weihnachts-, Geburtstags- oder Ostergeschenke, sondern Familienmitglieder und deshalb sollte sich die ganze Familie gemeinsam und wohlüberlegt dafür entscheiden. Wir sehen uns im Januar im Tierheim um, das ist dann wieder voll von Tieren, die unbedacht verschenkt wurden.”
Und so war es dann auch gewesen, als sie am 10. Januar das Tierheim besuchten, waren sämtliche Zwinger voll. Valeska musste heute noch schlucken, wenn sie an die ganzen Hunde dachten, die hoffnungsvoll wedelnd an den Gittern standen und sie bittend ansahen. Die Entscheidung war so schwer gefallen, denn am liebsten hätte sie alle mitgenommen. Doch sie hatten zuvor im Familienrat genau besprochen, was für ein Hund es sein sollte. Da Valeska die Hauptverantwortliche war beim Gassi-Gehen, sollte der Hund nicht zu gross sein, da sie mit ihren 12 Jahren doch sehr klein und zierlich war. Und eine Hündin, da Rüden untereinander sich oft nicht mochten. Ihre Eltern wollten einen jungen Hund, keinen Welpen mehr, aber er sollte höchstens 1-2 Jahre alt sein, damit er Valeska sehr lange erhalten blieb und sie nicht schon früh mit dem Tod des geliebten Begleiters konfrontiert werden würde.
Doch dann kam alles anders. Valeska entdeckte Chewie, der lag in einem der Zwinger in der hintersten Ecke, den Kopf traurig auf die Pfoten gelegt, er sah nicht mal auf, als wollte er sagen: ”Ihr nehmt mich ja doch nicht.” Valeska fragte sofort die Tierheimmitarbeiterin, die sie die Zwinger entlangführte, nach ihm.
“Ein ganz trauriges Schicksal unser Charly” erklärte die Mitarbeiterin “er ist schon 4 Jahre hier und inzwischen 8 Jahre alt. Keiner nimmt ihn und dabei ist er vom Charakter her einfach ein absoluter Traumhund, auch für Anfänger sehr gut geeignet. Er läuft problemlos an der Leine, bellt nicht, entfernt sich höchstens zehn Meter wenn er ohne Leine läuft, kommt sofort wenn man ihn ruft und verträgt sich mit allen anderen Hunden, auch Rüden, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und was es sonst noch so gibt. Er liebt einfach alles und jeden. Wir machen schon Witze und sagen immer, dieser Hund bekommt sogar Depressionen, wenn er beim Spazierengehen auf eine Ameise tritt. Aber den Einen ist er zu alt, den Anderen haart er zuviel, die Nächsten haben keine Lust auf die etwas aufwändigere Fellpflege. So wird er wohl den Rest seines Lebens hier verbringen”.
“Nein” sagte Valeska bestimmt “wir nehmen ihn”. Ihre Eltern sahen sie überrascht an. “Schatz” sagte ihre Mutter “er ist viel zu gross, der geht dir ja sicher bis an die Hüfte und zu alt”.
“Und es ist auch noch ein Rüde” fügte ihr Vater hinzu.
“Ich hole ihn mal raus” meinte die Mitarbeiterin “dann können Sie ihn sich besser ansehen”. Sie öffnete den Zwinger, rief: “Charly komm her”. Und schon sprang der Hund auf und eilte schwanzwedelnd auf sie zu. Begeistert wedelnd setze er sich dann vor Valeska und ihre Eltern, neigte den Kopf nach links und sah sie hoffnungsvoll an. Anschliessend hob er die rechte Pfote und streckte sie freundlich Valeska´s Mutter entgegen. Diese lachte auf und schüttelte ihm zur Begrüssung die Pfote. Diese Prozedur wiederholte Charly dann auch bei Valeska und ihrem Vater. Und schon hatte er auch die Herzen von Valeska´s Eltern erobert. “Scheint ja wirklich eine Seele von einem Hund zu sein” sagte der Vater zur Mutter. “Und da sich unsere Tochter wohl restlos verliebt hat und es ja sowieso hauptsächlich ihr Hund wird..” Die Mutter nickte.
Und als sie vom Tierheim wegfuhren saß Charly, der nun Chewie hieß, mit im Auto.
Vor einigen Tagen hatte ihr Vater zu ihr gesagt:”Verstehst du nun, warum man Tiere nicht einfach schenken soll? Auch wenn du am Weihnachtsabend doch etwas enttäuscht geschaut hast, weil du bis zuletzt auf einen Hund unterm Weihnachtsbaum gehofft hast. Hätten deine Mutter und ich ausgewählt, wäre es sicher niemals Chewie geworden. Da wir mit dem Verstand die Wahl getroffen hätten, nachdem was wir dachten, welcher Hund am besten zu dir passt. Du hast mit dem Herzen gewählt”. Valeska, die sich inzwischen ein Leben ohne ihren geliebten Chewie gar nicht mehr vorstellen konnte nickte und war innerlich sehr froh, dass ihre Eltern nicht nachgegeben hatten. Chewie würde sonst womöglich wirklich den Rest seines Lebens im Tierheim verbringen statt an ihrer Seite.
Glücklich formte sie einen Schneeball und warf ihn in die Luft. Chewie sprang begeistert hoch um ihn zu fangen. Auch wenn er schon älter war und rein theoretisch weniger Jahre bei ihr bleiben würde als ein junger Hund, das war nicht so wichtig. Sie würde einfach jeden Augenblick der Zeit, die ihr mit ihm blieb aus vollem Herzen geniessen. Und fröhlich lachend rannte sie mit Chewie durch den Schnee.
©Sonja Mezger