Meine Wohnung ist in einem Mehrfamilienhaus Parterre, die Fenster der 2 Zimmer sind straßenseitig. Gegenüber liegt zwischen zwei Häusern eine grüne Idylle, bewachsen mit Rasen, Bäumen und Sträuchern. Von meinem Computer aus kann ich dieses grüne Kleinod voll einsehen und das ist auch gut so, denn mein Fussel tummelt sich sehr oft dort drüben. Fussel ist inzwischen 13 Katzenjahre, von Anfang an nutzt er sein Katzenklo, es steht im Bad, nur sehr selten, sein Geschäft erledigt er lieber in der grünen Natur. Als Baby wurde Fussel kastriert, trotzdem geht er in den relevanten Jahreszeiten auf Brautschau, bei offenem Fenster kann ich das dann hören. "Frau, Frau," so klingt sein Miauen, wer kennt das nicht. Nicht jede Katzenfrau will ihn, dann beginnt ein ohrenbetäubendes Geschrei, so manches Mal kam er schon lädiert wieder in die Wohnung zurück. Ob es regnet, stürmt oder schneit, Fussel will raus, am liebsten aber, wenn die Sonne scheint. Bei schlechtem Wetter, das weiß ich natürlich nach den vielen Jahren unseres Zusammenlebens, kommt er aber schnell wieder, bei schönem Wetter aber ist er einige Stunden unterwegs. Oft sitzt er auch auf dem Fensterbrett. Ist das Fenster geschlossen und er entdeckt auf der anderen Straßenseite eine seiner Geliebten, dann wird er unruhig. "Miau," sagt er mehrmals und das bedeutet nichts anderes als "Öffne mir das Fenster, da drüben ist meine Geliebte!". Ist dann freie Fahrt, schaut er erst nach links und rechts, ob da auch niemand ist oder kommt, der ihm gefährlich werden könnte. Am Abend, eine meiner Sendungen, die ich gerne sehen möchte, ein schöner Film, eine Show, eine Wissenssendung laufen gerade, da beginnt er mich zu nerven. "Warum wartest du nur immer, bis die Sendung begonnen hat, oh Fussel." Ich öffne ihm das Fenster. Auch diesmal springt er nicht einfach nach unten, sondern schaut erst noch. Gerne hat er dann auch, wenn ich mich mit auf das Fensterbrett lehne, allerdings mache ich das nur dann, wenn die laufende Fernsehsendung mich nicht ganz so doll interessiert, denn wenn ich neben ihm lehne, kann er sich nur schwer entschließen, das Fensterbrett in Richtung grüner Idylle zu verlassen. Da beginnt er zu schmusen, sein Kopf an meinen Kopf. Ist er dann weg, kann ich einige Stunden in die Ferne schauen. Zwischendurch vergewissere ich mich natürlich, ob er schon wieder um Einlass bittet. Ist er nach der Sendung noch nicht wieder da, gehe ich noch mal an den Computer, aber immer wieder nach Fussel Ausschau haltend. Will ich dann ins Bett, weil ich müde bin, sitzt er schon oft auf der anderen Straßenseite und schaut auf die Fenster, manchmal muss ich ihn aber rufen. Sitzt er schon drüben dann rufe ich: "Fussel komm, ich will ins Bett!" Er sieht mich zwar an, zeigt aber keinerlei Reaktion, zu kommen. Ich setze mich wieder an den Computer, dabei das Fenster weiterhin geöffnet. Vielleicht kommt er ja, wenn ich nicht mehr am Fenster stehe. Und tatsächlich, er sitzt im Rinnsteig unterhalb des geöffneten Fensters und wälzt sich hin und her, scheint sich wohl zu fühlen. "Fussel, wenn du jetzt nicht kommst, mache ich das Fenster zu, gehe ins Bett und du musst draußen schlafen." Natürlich meine ich das nicht ernst. Aber Fussel läuft nach links, springt auf den Fenstersims vom Wohnzimmer, das Fenster ist aber geschlossen oder besser nur angekippt und da kommt er nicht durch. "Na komm hierher!" "Miau!" "Komm du doch hierher," scheint das zu bedeuten "und mache mir dieses Fenster auf!" Ich gehe ins Wohnzimmer, will das Fenster gerade öffnen, als Fussels Kopf an meinem Unterbein reibt. Dieses Spiel wiederholt sich Abend für Abend. Bin ich am Fenster vom Schlaf-Computerzimmer springt er garantiert auf den Fenstersims vom Wohnzimmer oder umgekehrt und rein kommt er durch das geöffnete Fenster oder zumindest meistens. Katzen haben eben ihren eigenen Kopf, mehr als meine Alexa. Böse bin ich meinem Fussel nie, aber irgendwie komme ich mir Abend für Abend verarscht vor. (mit freundlicher Genehmigung von ©Eberhard/http://www.eberhard-mehl.de)
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